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Von den Vorfahren lernen

Auszug aus einem Interview anlässlich eines Besuchs bei Jonathan Stroud 2008

Wie wurden Sie von Ihren Vorfahren beeinflusst?

Jonathan Stroud: Mein Großvater mütterlicherseits, der vor 15 Jahren starb, bereiste als Kapitän die Meere. Mit seinem Schiff war er an vielen verschiedenen Orten. Er erzählte mir abenteuerliche Geschichten, auch aus dem Krieg, als ein Torpedo sein Schiff traf. Aber alles in allem war er – wie Seebären nun mal so sind – ziemlich schweigsam. Und ich bedauere, ja, ich bereue es sehr, dass ich ihn nicht mehr gefragt habe. Denn kaum ist jemand gestorben, wird das Lebensbuch zugeschlagen. Ich hätte die Geschichten meines Großvaters auf Tonband aufnehmen müssen, so wie Sie jetzt mich aufzeichnen.

Schreiben Sie auch, damit Ihre Kinder sich später besser an Sie erinnern?

Jonathan Stroud (lacht): Meine Gene sind hoffentlich okay. Mein Großvater väterlicherseits ist vor zwei Jahren mit 91 gestorben. Seine Frau ist jetzt 93 Jahre alt und es geht ihr gut. Ich werde also hoffentlich noch lange die Möglichkeit haben, meinen Kindern mündlich alles zu berichten, was sie interessiert.

Aber natürlich gefällt mir die Vorstellung, dass Isabelle und Arthur eines Tages meine Texte lesen können und Dinge vorfinden, die mir wichtig waren. Ich versuche, mir meiner eigenen Geschichte bewusst zu sein, und achte darauf, dass ich meinen Kindern hoffentlich eines Tages das übermitteln kann, was für sie wichtig wird.

Ich schätze, die Strouds bewahren gerne alles Mögliche auf. Dieser Großvater väterlicherseits zum Beispiel hatte in London ein Haus gebaut, das wir gerade versuchen auszuräumen. Sie ahnen nicht, was da alles zum Vorschein kommt. Schätze noch aus viktorianischer Zeit, aber auch viel Gerümpel. Sein Leben war längst nicht so abenteuerlich, wie das des Seefahrers [in Valley, Anm.d.Red.], aber für die Familien-Archäologie gibt es viel her. Zudem hat er ein Buch geschrieben, das erstmals 1970 erschien und noch immer lieferbar ist: Engineering Mathematics in fünfter überarbeiteter Auflage, heute mit CD-ROM. Das nenne ich einen Longseller. Ein buch wie eine magische Formel!

Spüren sie noch etwas von seinen Genen? Waren Sie als Schüler in Mathematik gut?

Jonathan Stroud: Ich fürchte, ich war ein ziemlich guter Schüler (lacht verlegen), aber nicht sonderlich in Mathe und auch nicht in Fremdsprachen. Meine Mutter war Lehrerin und unterrichtete Geschichte. Von ihr habe ich die Leidenschaft fürs Erzählen. Mein Vater war wie mein Großvater Mathematiker und Ingenieur. So wie ich als Schriftsteller arbeite, kommen mir diese beiden Aspekte gelegen. Ich nehme gerne kleine Stücke aus den Geschichten meiner Eltern und setze sie in meine Bücher ein. Das ist eine Art des Bewahrens der Tradition mit den Mitteln meiner Eltern: das Ineinanderfügen von Puzzleteilen dank Logik. Klare Strukturen sind für einen Schriftsteller wichtig. Ich habe graphische Entwürfe und Skizzen zu Bartimäus im Internet veröffentlicht. Dort sehen Sie deutlich, wie stark beim Aufbau eines Romans systematisches Denken gefordert ist. Ich versuche also, Analyse und Imagination in meinen Texten zu verbinden.

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